In "Fake off" arbeiten Anita Zieher und Magda Leeb mit Schlagzeilen, die das Publikum von seinen Handys abliest und Ihnen zuruft. Zu sehen ist dieses rare Unterhaltungsformat im TAG .
Kulturwoche.at: Frau Zieher, Frau Leeb, sie machen seit 2007 gemeinsam "Impro-Kabarett" - ein Unterhaltungsformat, das in Österreich kaum bekannt sein dürfte. Wie kam es dazu?
Magda Leeb: Wir haben uns 2003 bei der Gruppe Impro X kennengelernt und gemerkt, dass wir gerne miteinander spielen und mehr zusammen machen wollen.
Anita Zieher: Auf die Idee, Impro-Theater in den Kabarettbereich hineinzubringen, sind wir mit unserem damaligen Coach Jim Libby gekommen. So etwas gab es hier noch nicht. Das Improvisationstheater führt in Österreich generell ein stiefmütterliches Dasein. Nicht zuletzt deshalb haben wir am Anfang viel bei klassischen Kabarettwettbewerben mitgemacht. Das war für uns eine gute Gelegenheit um auf gewisse Bühnen zu kommen. Dass wir improvisieren, haben wir zu Beginn gar nicht dazu gesagt. Viele Leute haben sich gewundert, warum die Abende immer so unterschiedlich verlaufen. Erst später haben wir das Improvisatorische unseres Programms stärker betont.
Magda Leeb: Viele Zuschauer glauben jedoch nach wie vor, dass wir klassisches Stand-up machen, aber Stand-up ist vorbereitet. Das sind geschriebene Nummern, die wohl manchmal variabel zusammengestellt werden. Bei uns entwickelt sich das Programm wirklich spontan auf der Bühne aus den Vorgaben des Publikums.
Wie sind Sie auf das Thema der Fake News gekommen? Und geht es Ihnen auch darum die Leute zum Denken anregen zu wollen?
Magda Leeb: Das Programm ist aus einer gemeinsamen Idee mit dem TAG heraus entstanden. Wir wollten ein Format finden, das das ganze Jahr über laufen kann, das themenunabhängig ist, aber trotzdem am Puls der Zeit.
Anita Zieher: Wir zeigen wie schnell man Nachrichten erfinden kann, wie schnell man rufschädigend sein kann. Was wir heute erleben, dass so getan wird, als sei jede Privatmeinung schon eine Nachricht und sie nur, weil ich es so empfinde auch schon eine Wahrheit ist, ist eigentlich Wahnsinn. Ich glaube zwar nicht, dass die Leute nach unserer Show nachhause gehen und sagen, ab jetzt lese ich die Zeitung kritischer. Aber vielleicht denken manche darüber nach, was an der einen oder anderen Geschichte wirklich dran ist.
Das Publikum hat Sie die ganze Show über im Blick. Das heißt, Sie können sich auch währenddessen nicht heimlich absprechen. Wie stimmt man sich da aufeinander ab, wie entwickelt man so schnell eine Story?
Anita Zieher: Was wir vor allem trainieren, ist zuhören und schauen, was die Partnerin auf der Bühne macht. Das grundlegende Prinzip des Improtheaters lautet Akzeptieren.
Magda Leeb: Am Ende des Tages geht es eigentlich immer nur um Vertrauen in die Partnerin, in das Team. Wenn sich Anita beispielsweise als Flughafenmitarbeiter ausstattet und mich als Kollegen, dann nehme ich diese Rolle an und vertraue darauf, dass sich daraus etwas entwickeln wird, auch wenn ich beispielsweise als unsympathischer Idiot dargestellt werde.
Ist Politik und Gesellschaftskritik etwas, dass gutes Kabarett für Sie haben muss?
Anita Zieher: Comedy muss nicht immer politisch sein. Aber ich merke, wenn ich mir Shows anschaue, in denen es nur um persönliche Befindlichkeit geht, dass ich mich schnell langweile. Obwohl persönliche Befindlichkeit wie es zum Beispiel Josef Hader mit seinem Privat-Programm damals gemacht hat, in gesamtgesellschaftliche Themen eingebettet sein kann. Man könnte auch sagen, in gewisser Weise ist alles, was ich auf der Bühne zum Thema mache, politisch. Da sind wir bei der Rosa Luxemburg, die sagte: "Unpolitisch sein heißt politisch sein, ohne es zu merken."
Magda Leeb: Kabarett im luftleeren Raum gibt es nicht. Die Gewichtung ist bloß unterschiedlich.
Gesellschaftskritik und Humor sind quasi ein altes, vertrautes Paar Schuhe. Welchen Stellenwert hat Humor in der heutigen Zeit? Gibt es Zeiten, in denen es besonders wichtig ist die Leute zum Lachen bringen?
Anita Zieher: Es ist natürlich wichtig sich lustig zu machen über Diktatoren und andere Machthaber. Humor ist ein Gegengewicht, ein Machtinstrument. Gerade in Zeiten, die anstrengend sind, hat Humor eine wichtige Ventilfunktion. Bei uns haben aber mittlerweile alle bereits ihr Fett abgekriegt, wir selbst, die Frauen, die Männer.
Magda Leeb: Leider ist es als Frau immer noch so - und ich wünschte ich müsste das an dieser Stelle nicht erwähnen - dass sie einen anderen Stand auf der Bühne haben als Männer. Das hat etwas mit Macht zu tun. Ich ermächtige mich, mich über etwas lustig zu machen. Softthemen wie Kinder, Mutter sein, Cellulite sind okay, das wird Frauen zugestanden, aber alles was dann über das hinausgeht, wird kritischer gesehen. Nicht nur von Männern, auch von Frauen. Dabei geht es auch viel um Körperlichkeit: Ob man das jetzt sagen, sich so präsentieren, so dreinschauen soll. Ich habe schon öfter als Rückmeldung bekommen, ob ich mir keine Gedanken mache, wie ich auf der Bühne aussehe. Desto wichtiger finde ich es, dass man die Dinge mit Humor auflöst.
Wie hat sich die Situation in den letzten Jahren für Frauen auf der Kabarettbühne entwickelt? Sehen Sie trotz allem einen Fortschritt in punkto Gleichberechtigung?
Magda Leeb: Es gibt sicherlich mehr Frauen als früher, die Stand-up Comedy machen. Aber auch in der Poetry Slam Szene oder in der Kabarettszene verändert sich einiges. Trotz allem haben wir auch heute noch ein großes Altherren-Kabarett. Wenn man sich beispielsweise anschaut, wer bei den Mixed Shows eingeladen wird, dann sind das alles Männer und vielleicht eine Quotenfrau, die kurz einmal reinschneien darf. Aber ich glaube, auch das ist langsam im Wandel begriffen. Heute gibt es viele rotzfreche Frauen, die sich kein Blatt vor den Mund nehmen und die auch auf intellektueller Ebene etwas zu sagen haben.
Anita Zieher: Ich würde mir auch in Österreich wünschen, dass es wie in den USA und in Deutschland mehr Comedy-Sendungen gibt, wo Frauen einen wichtigen Part spielen. Zudem, je mehr Frauen in der Öffentlichkeit präsent sind, umso mehr müssten Sie nicht immer so extrem gut sein, um Erfolg haben zu können. Das ist in allen Bereichen so, ob im Journalismus oder in der Politik. Es wäre schön, wenn es genauso viele mittelmäßige Frauen geben dürfte, wie es mittelmäßige Männer und Kabarettisten gibt. Leider existieren auch heute noch diese alten Mechanismen, bei denen viele sagen: gehen wir lieber auf Nummer sicher, nehmen wir einen Mann. Die großen Agenturen sind nach wie vor in Männerhand. Unsere Agentin Julia Sobieszek ist eine der wenigen Frauen, die erfolgreich unterwegs ist.
Frau Zieher, Sie beschäftigen sich seit Jahren im Portraittheater mit historischen Frauenpersönlichkeiten - ein Beitrag zur female history? Und inwieweit wollen Sie ihre Arbeit als feministisch verstanden wissen, alleine schon dass sie Frauenschicksale ansprechen oder als Frauen auf der Bühne stehen?
Anita Zieher: Ich sehe meine Arbeit sehr wohl als feministischen Beitrag. Als Brigitte Pointner, die Mitgründerin des Portraittheaters, und ich vor zwölf Jahren mit einem Stück zu Hannah Arendt angefangen haben, war die Resonanz sofort gut. Viele der Zuseherinnen und Zuseher sind durch die Stücke neugierig auf die dargestellten Frauen geworden. Gleichzeitig stellt die Auseinandersetzung mit diesen historischen Persönlichkeiten für viele auch eine Ermutigung dar. Viele der Themen von damals sind heute noch aktuell: Arbeitsbedingungen von Frauen, Antisemitismus, Mechanismen wie mit Arbeitslosigkeit umgegangen wird und vieles mehr. Auch heute brauchen wir eine stärkere Sichtbarkeit von Frauen. Feminismus wird gerne als Killerphrase oder als Keule verwendet, um Frauen mundtot zu machen. Es geht im Feminismus um das Herstellen von Gleichgewicht. So wie es in der Gesellschaft generell darum gehen sollte, dass wir gleiche Rahmenbedingungen, gleiche Chancen herstellen und nicht sagen, jeder nur für sich selber und die anderen haben Pech gehabt.
Magda Leeb: Gerade als Lehrerin und Mutter eines Sohnes stoße ich immer wieder an diese Grenze, wo ich nicht mehr plausibel erklären kann, warum Frauen bestimmte Felder im öffentlichen Leben noch immer nicht selbstständig einnehmen können. Wenn wir es geschafft haben, dass es in unserer Gesellschaft gleich ist, ob ich eine Tätigkeit als Mann oder Frau ausübe, dann können wir das Wort Feminismus aus unserem Vokabular streichen. Aber so lange das nicht der Fall ist, werde ich mich als Feministin bezeichnen.
Es gibt nach wie vor einen großen Unterschied zwischen Theater- und Kabarettpublikum. Wäre eine verstärkte Vernetzung wünschenswert, so dass beide Formen davon profitieren könnten?
Anita Zieher: Das ist mit ein Grund, warum wir diese Kooperation mit dem TAG machen, weil das eine gute Möglichkeit ist, Theater- und Kabarettpublikum verstärkt zusammenzubringen. Das Kabarett hat ein bisschen das Problem, die Jungen nicht mehr so begeistern zu können. Während beim Impro-Theater, wie bei "Sport vor Ort" im TAG, extrem viele junge Leute sitzen.
Magda Leeb: Kabarett ist zum Teil sehr teuer geworden. Wenn man sich eine große Kabarett-Show im Globe oder im Stadtsaal ansehen will, gibt man viel Geld aus. Vor allem wenn man einen großen Namen sehen will, muss man tief in die Tasche greifen. Was eine eher ältere Publikumsschicht anspricht. Was noch dazu kommt, heute kann man sich viel Comedy im Internet anschauen. Viele Junge gehen eher auf Netflix und streamen amerikanische Comedians und nicht um was weiß ich wie viel Euro ins Kabarett. //
Interview: © Sandra Schäfer
Foto: © Rupert Pessl
Die nächsten Termine von Fake Off im TAG:
Saisonpremiere: Mi 12. Dezember 2018, 20 Uhr
Termin im Jänner: Sa 19. Jänner 2019, 20 Uhr
Termin im Februar: So 17. Februar 2019, 19 Uhr
Der Artikel erschien erstmals auf Kulturfüchsin.