Ein Mann. Eine Bühne. Zehn Rollen. Im Zuschauerraum herrscht Stille als die Fernsehbildschirm ähnliche Projektion eines Mannes mittleren Alters auf der Bühne zu sehen ist. Der fast kahlköpfige Mann spricht zum Publikum, beginnt diesem die Lebensgeschichte eines noch Unbekannten zu erzählen. Nach und nach erscheinen immer mehr Gesichter auf dem Bühnenfernseher. Unterschiedliche Charaktere, jeder von ihnen sieht anders aus - oder doch nicht?

Ewige Jugend - Segen oder Fluch?

Bastian Krafts Inszenierung des Klassikers "Das Bildnis des Dorian Gray" nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise, in die Abgründe der Seele eines zerrissenen Mannes, der verzweifelt an seiner Jugend festhält und versucht deren Vergänglichkeit, durch sein mit einem Fluch belegtem Porträt, zu entgehen. Nicht seiner fleischlichen Hülle sind die Zeichen der Zeit anzusehen, sondern sein in dem Gemälde gefangenes selbst - das mit Pinsel und Farbe geschaffene Abbild des jungen Mannes, altert und wird zum Spiegel seiner hässlichen, entstellten Seele.

Zwischen Selbsthass und Eigenliebe

Der Burgtheaterschauspieler Markus Meyer agiert auf der Bühne einzig und allein mit dem aus einer Stahlkonstruktion bestehenden Bühnenbild - und sich selbst. Die immer wieder eingeblendeten Projektionen von zuvor aufgezeichneten Videosequenzen mit gewollt geschmackloser Ästhetik, zeigen ausschließlich ihn. Mal in der Rolle des selbstverliebten Graf Henry, der den jungen Dorian Gray vom rechten Weg abbringen wird. Mal als sensibler Maler Basil, der das Porträt des schönen Mannes anfertigt und als gute Seele versucht seinen Freund vor dem drohenden Unglück zu bewahren. Nur in der Rolle des von Selbstliebe und Selbsthass gequältem Dorian Gray, steht Meyer physisch tatsächlich auf der Bühne, das Gesicht in eine Maske aus Blattgold gehüllt, auf der Suche nach dem in der ewigen Jugend verborgenen vermeintlichem Glück.

Ein Geflecht aus transmedialen Elementen

Dank der außergewöhnlichen Darbietung von Markus Meyer - der sich auf der Bühne tatsächlich einer psychischen und auch körperlichen Zerreißprobe hingibt - wird Oscar Wildes schon etliche Male auf die Bühne gebrachter Roman zu einem transmedialen Erlebnis. Das Geflecht aus Projektionen, darstellender Kunst und Video-Live-Übertragung scheint auf der Bühne zu funktionieren. Die in der Theaterbranche beherrschende Scheu vor der Vermischung der Medienformen scheint für Bastian Kraft kein Hindernis zu sein, das sich nicht überwinden ließe.

Dynamische One-Man-Show

Die moderne Aufführung von Meyers One-Man-Show verlangt nicht nur dem Darsteller körperlich einiges ab, sondern fordert auch vom Zuschauer volle Aufmerksamkeit auf allen Kanälen. Das dynamische Spiel auf der Bühne, die knallige Ästhetik der Filmaufnahmen und die lebendigen Nahaufnahmen der Live-Kamera holen die verstaubte Romanvorlage aus dem alten England des 19. Jahrhundert ins Hier und Jetzt des Wiener Akademietheaters. //

Text: Kim Höbel
Fotos: Reinhard Werner/Burgtheater

Kurz-Info:
Dorian Gray
Bewertung: @@@@@
Kritik zur Aufführung im Akademietheater Wien am 15.11.2017
60 Min.

Regie: Bastian Kraft
Dramaturgie: Barbara Sommer
Bühnenbild: Peter Baur
Kostüm: Dagmar Bald
Musik: Arthur Fussy
Licht: Michael Hofer
Video Produktion: Michael Schüller, Peter Baur, Alexander Richter