Auch das Wiener Klassenzimmertheater unter der Leitung von Dana Csapo hat im Shakespeare-Jahr ein Shakespeare-Stück im Programm: "Hamlet Generation XYZ". Empfohlen für Menschen ab 13 Jahren. Moral des Stücks: Shakespeare schadet. Nicht.
Erzählt wird retrospektiv: Ophelia (rotzfrech: Dinah Pann) schildert die Geschichte ihres Freundes Hamlet (überzeugend pubertär Thomas Weilharter) - es ist nicht irgendein Tag, es ist sein Todestag, der sich jährt. Zuerst hat sie ihn nicht mögen, den Neuen in der Klasse. Den Außenseiter, der so komisch redet. So in sich gekehrt ist. So abweisend ist. Stück für Stück aber findet sie Zugang zu Hamlet - und seine Geschichte wird auch ein Teil der ihren. Weilharter und Pann sind als Himmelhochjauchzend und Zutodebetrübt ein eingespieltes Team.
Shakespeare schadet. Nicht.
Autor Holger Schober hat die pubertären Anteile aus dem Original herausgeholt und in Schober-Manier verpackt. Regisseurin Dana Csapo überspitzt das noch einmal. Aus jugendlicher Perspektive, vor allem auch aus der heutigen, nimmt sich das auch alles ganz normal aus: der Vater stirbt. Die Mutter heiratet erneut, und dann auch noch den Onkel - wer ist jetzt was? Vater-Onkel? Mutter-Tante? Und Hamlet? Stiefsohnneffe? Patchwork-Chaos at its best, und das auch noch mitten in der Identitätskrisenphase Pubertät. Hamlet jedenfalls "kotzt das so richtig an". Er reagiert, wie jeder im jugendlichen Publikum auch reagieren würde: Er ist zornig. Er spinnt sich Theorien zurecht (Es war Mord!). Er hinterfragt die Beziehung zu seinem Vater, der stets erfolgreicher sein wird, als es der Sohn je zu sein vermag. Er sinnt auf Rache.
Da, wo sonst Mathe und Bio die Hauptrolle spielen
"Hamlet Generation XYZ" ist ein starkes Stück Klassenzimmertheater. Distanz ist hier nicht vorgesehen. Das Stück findet im Klassenzimmer statt, da, wo sonst Mathe und Bio die Hauptrolle spielen. Die Hemmschwelle Theatersaal, die viele Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Schichten noch nie übertreten haben, existiert hier nicht und Stücke wie "Hamlet Generation XYZ" es sind, schlagen hier doppelt ein. Das sorgte 2015 auch für Aufsehen: "zu depressiv" lautete das Urteil einer Schulinspektorin, die das Stück kurzerhand vom Spielplan nehmen wollte.
Was darf Theater und was darf Theater nicht?
Ein Hamlet, der nach dem Tod seines Vaters auszuckt - ist das ein Vorbild? Mord und Totschlag in der Schule? Und Punkmusik im Schulgebäude, dass die Wände wackeln - darf man das? "Hamlet Generation XYZ" hat im Wiener Schulwesen eine kleine Debatte ausgelöst: Was darf Theater und was darf Theater nicht, was soll Theater und was soll Theater nicht? Und überhaupt: Ist Shakespeare Kindern zumutbar? Dana Csapo, Leiterin des Wiener Klassenzimmertheaters hat inzwischen auch eine Ausbildung im Bereich Gewaltfreie Kommunikation abgeschlossen und versucht so den Bürokraten Wind aus den Segeln zu nehmen. Mit ihrem Team bringt sie Shakespeare in die Schulen. Das theaterpädagogische Nachgespräch ist ohnehin seit jeher Teil des Konzepts - und dieses wird von den Jugendlichen nicht lediglich abgetan, sondern sogar gewünscht und rege mitdiskutiert. Auch und gerade in Hamlet. Jugendliche, die sich mit Shakespeares Helden identifizieren und mitreißen lassen - was kann man sich im Shakespeare-Jahr mehr wünschen? Die Bürokraten und Schulpsychologen haben mittlerweile "Hamlet Generation XYZ" unter die Lupe genommen und 400 Jahre Hamlet-Konsumenten- Generationen dürfen aufatmen: Shakespeare schadet nicht. Auch nicht in einer Fassung für SchülerInnen. (Text: Anne Aschenbrenner; Fotos: Wiener Klassenzimmertheater)
Kurz-Info:
Hamlet Generation XYZ
Bewertung: @@@@@
Wiener Klassenzimmertheater
Autor: Holger Schober
Regie: Dana Csapo
Schauspiel: Dinah Pannos, Thomas Weilharter
Theaterpädagogik: Camilla Reimitz
Assistenz: Teresa Huem