polenta-01Mit einer Doppelpremiere wartete der Dschungel Wien am 7. März 2014 auf: "Warum das Kind in der Polenta kocht" und "Dog Stories", zwei Stücke von zwei aufsteigenden jungen Regisseuren, zu zwei verschiedenen, aber jeweils schweren Themen.

Mit dem Stück "Warum das Kind in der Polenta kocht" ist Sara Ostertag eine beeindruckende und durchgehend lebendige Erzählung gelungen. Lebendig, obwohl eigentlich die ganze Zeit über vom Tod die Rede ist... Das Mädchen wächst in einer verarmten Zirkusfamilie auf, tingelt mit ihren Lieben von Stadt zu Stadt, nirgends richtig zu Hause und doch im Wohnwagen überall daheim. Vorlage ist der gleichnamige autobiografische Roman von Aglaja Veteranyi, die Textfassung der Makemake Produktion unter der Regie von Ostertag hat neben der Handlung auch die Poesie und Grausamkeit übernommen,  sowie das Metrum und den Rhythmus Veteranyis Erzählung beibehalten. Leichtigkeit und Existenzbedrohung, Sehnsucht und warmes Blut und der Traum von einem besseren Leben, leiten in einer kaum fassbaren Dichte durch das Stück, als wären es die Hauptfiguren: Ich träume, dass meine Mutter stirbt. Sie hinterlässt mir eine Schachtel mit ihrem Herzschlag.

Jede kann alles

polenta-02Erzählt wird die Geschichte vom Mädchen, wobei die fünf Schauspielerinnen Sabine Muhar, Michèle Rohrbach, Sarah Bahmou, Jelena Popržan, Anna Starzinger immer wieder die Rollen wechseln - jede kann alles. Farben und Requisiten sind entscheidend. Während die "toten" Requisiten, das herumliegende Drumherum in Weiß gehalten sind, sind die Kostüme und die "lebendigen" Requisiten vor allem Rot, Gelb und Blau - nur die Mutter trägt einen pinken Bademantel. Je weiter die Erzählung fortschreitet, je düsterer sie wird, je mehr die Mutter in den Vordergrund tritt, desto violetter auch Bühnenbild und Kostüme. Männer, die mehr zum Unglück im Leben des Mädchens beitragen, als ihr eigentlich bewusst ist, scheinen vor allem Grau. Herausragend Jelena Popržan in der Rolle des Vaters. Sie ist es auch, die dem Stück durch musikalische Umsetzung der Romanvorlage zum Gelingen des Stücks einen entscheidenden Beitrag leistet.Die Instrumente neben Bratsche und Cello wurden von Hans Tschiritsch erfunden und gebaut, auf der Bühne werden sie von Jelena Popržan (Violine u.a.) und Anna Starzinger (Cello u.a.) gespielt.

90 heftige Minuten

polenta-03Musik, Gesang, Spiel, Text,  Kostüm und Requisiten stehen in jedem Moment gleichberechtigt auf der Bühne. Würde nur ein einziges Element fehlen, so würde die Geschichte nicht funktionieren. Warum das Kind aber jetzt wirklich in der Polenta kocht? Nicht zuletzt um das zu erfahren lohnt sich ein Vorstellungsbesuch. Ab 8. April 2014 wieder im Dschungel Wien zu sehen. Für den alleräußersten Notfall ist zudem das Original zu empfehlen: Warum das Kind in der Polenta kocht ist im dtv Verlag erschienen. Frei nach Veteranyi: Die Erzählung riecht im Buch wahrscheinlich gleich, schmeckt aber in Ostertags Inszenierung anders, wegen der Sehnsucht. Nach 90 heftigen Minuten fragt man sich jedenfalls, wie man noch eine zweite Premiere an diesem Abend überstehen kann. Und in der Tat, der Kontrast könnte schärfer kaum sein: Bedrückt, aber nicht unglücklich liegt die Polenta noch im Magen, als sich mit Dog Stories kaum 30 Minuten später ein dann doch sehr oberflächliches Stück dazugesellt. (Text: Anne Aschenbrenner; Fotos: Nanna Neudeck)

Link-Tipps:
Premierenkritik Dog Stories
Premierenkritik Das Kind der Seehundfrau

Premierenkritik Momo

polenta-04
Kurz-Infos:

Warum das Kind in der Polenta kocht
Bewertung: @@@@@
Kritik zur Premiere am 7.3.2014 im Dschungel Wien

Textfassung nach Aglaja Veteranyi: Sara Ostertag
Regie: Sara Ostertag
Komposition: Jelena Popržan
Dramaturgie, Musikvermittlung: Maria Tunner
Theaterpädagogik: Brigitte Moscon
Ausstattung: Nanna Neudeck
Grafik: Birgit Kellner
Lichtdesign: Severin Mahrer
Technik Drehscheibe: Peter Jokl
Instrumentenbauer: Hans Tschiritsch
Musiker: Jelena Popržan, Anna Starzinger
Darstellerinnen: Sabine Muhar, Michèle Rohrbach, Sarah Bahmou
Regieassistenz: Laura Andreß
Ausstattungsassistenz: Martina Maggale
Hospitanz: Sabine Kleo