hundemund1Der Raum ist klein. Nur wenig Publikum findet Platz bei der Aufführung von "Mein Hundemund" im Schwarzen Salon vom Volkstheater Wien, auf der Bühne stehen sicher genauso viele Stühle wie im Zuschauerraum. Die Stühle auf der  Bühne sind angeordnet wie in einer Kirche, es liegen auch drei Bibeln dort.

In diesem sehr unaufwändigen Raum findet das Stück ebenso unaufwändig und mit erstaunlich leisen Tönen statt. Keine Wanne mit Blut, kaum eine der im Text vorgegebenen Handlungen, kein knurrender Hund als Geräuschkulisse im Hintergrund. Musik, die Stimmungen unterstreicht, ist nicht nötig. Es ist etwa eine Stunde pure Konzentration durch die Präsenz der Schauspieler_innen auf der Bühne, ganz nah an den Zuschauer_innen. Nur die Stühle und drei Schauspieler_innen, die sich im ersten Teil des Stückes fast statisch auf den Stühlen befinden, und sich auch später nur minimal aus diesem sehr begrenzenden und begrenzten Raum hinausbewegen. Körperliche Aktion findet kaum statt, wichtiger ist die Mimik der Schauspieler_innen.

Familienenge

Vor allem der Hundsmaulsepp (Rainer Frieb) spricht in seiner Betonung oft gegen den Inhalt seines Textes an, ist zuweilen sogar sanft. Immer hält er sich an seiner Flasche fest, die Augen sind glasig. Die Frau (Susa Meyer) und der Sohn (Jan Sabo) sind ständig auf der Bühne. Mit stoischem Gesicht erträgt sie die Reden des Hundsmaulsepp. Zuweilen unterstreichen sie die Kirchenlitaneihaftigkeit des Textes, durch Gebetshaltung und Bekreuzigung. Werden die Worte des Hundsmaulsepp besonders ausfällig, wendet die Frau nach  Verzeihung heischend ihre Augen in die Richtung, in der in einer Kirche wohl Jesus am Kreuz hängen würde. Vielleicht wendet sie ihre Augen jedoch auch in Richtung der Gesellschaft außerhalb ihrer österreichischen, katholischen Familienenge, die zusieht und deren Urteil sie fürchtet.

Die Enge des Kirchenraumes

Anders als die Frau und der Sohn schlägt Sepp das Gebetsbuch nicht auf, kann sich nicht zu Gott durchringen. Anders als die Beiden kann er die Enge des Kirchenraumes jedoch später nicht verlassen. Er bleibt auf der Bühne, während Frau und Sohn im Laufe der dritten Szene den Raum verlassen, immer wieder kommen, jedoch auch wieder gehen und ihn zurücklassen. Ist die Mimik der Frau zu Beginn des Stücks noch eher duldsam und sie körperlich weiter vom Sepp entfernt, so werden ihre Züge immer häufiger heftiger, drängender, ablehnender und aggressiver, die nähert sich ihm sogar zweimal in drohender Körperlichkeit.

Körperliche Gewalt ist nicht die Einzige

Sepps Gewalt gegen sich selber wird vor allem als Gewalt gegen das versehrte Bein inszeniert. Die Situation am Ende der dritten Szene, in der er den Hund quält, ist ganz heraus gekürzt. Aggression findet somit vor allem autoaggressiv statt. Ob es den Hund wirklich gibt bleibt unklar. Vielleicht ist er auch nur in Sepps betrunkenem Geist vorhanden und wird von diesem als Sinnbild einer Erlösung herbeigesehnt. Das Stück lässt dies offen. Auch wenn es dieser Inszenierung an der krassen Gewalttätigkeit des Schwab-Textes fehlt, strotzt doch der ganze Raum vor Gewalttätigkeit. Zwischen den Figuren dröhnen das Unbehagen und der Zwang, so dass es im Publikumsbereich deutlich spürbar wird.

Unbehagen

Nach fast 70 Minuten wird es immer unangenehmer im Raum. Das Stück schafft Unbehagen und das will es auch. Als der Hundsmaulsepp mit resignierter Stimme in seinem Stuhl zusammengesunken ist und es dunkel wird, drückt der Applaus Erleichterung aus, jedoch auch Respekt für die großartige Leistung der drei Darsteller_innen. (Text: Katharina Fischer; Fotos: Marko Lipuš)

hundemund2Kurz-Infos:
Mein Hundemund
Bewertung: @@@@@
Von Werner Schwab, 1991 (UA: 1992)
Regie: Helene Vogel
Mit: Rainer Frieb, Jan Sabo, Susa Meyer
Volkstheater, Schwarzer Salon (Premiere: 25.1.2013)
Kritik zur Aufführung am 20.4.2013

Weitere Termine:
15. Mai und 4. Juni 2013