Eher unscheinbar in einem kleinen Winkel des 1. Wiener Gemeindebezirkes versteckt sich das Theater Drachengasse. Es bringt mit dem Porträt der französischen Schriftstellerin Amandine Aurore Lucile Dupin alias George Sand eine besonders schöne Theateridee auf die Bühne.
George Sand gehört wahrscheinlich nicht zu den meistgelesenen Autorinnen der Literaturgeschichte. Umso besser, dass sich das Portraittheater näher mit dieser leuchtenden Frauenfigur auseinandergesetzt hat. Schauspielerin Anita Zieher erzählt in der Ich-Perspektive ausgesuchte Lebensabschnitte George Sands. Begleitet und unterstützt wird sie dabei von Werner Lemberg am Piano, der es versteht mit seinen ruhigen, aber dennoch kraftvollen Chopin-Interpretationen Begeisterung für dessen Werk zu wecken.
Fernab blödsinniger Genderdebatten
Im Zentrum der biografischen Erzählung steht die Begegnung von Sand und Chopin aus der sich eine knapp neunjährige Liebesbeziehung entwickelte. Ebenso intensiv wird der Lebensweg der Schriftstellerin vor der Begegnung mit dem polnischen Musiker behandelt. Geboren 1804, heiratete sie 1822 Casimir Dudevant, welcher auch Vater ihrer zwei Kinder war. Auf Sands Initiative folgte 1836 die Scheidung. Auch hier bewies sie ihren ausgeprägten Wunsch nach Freiheit und Unangepasstheit. Da George Sand nach der Scheidung alleinerziehend war, Hosen als Kleidungsstücke praktischer fand und nach ihrer Ehe noch diverse weitere Partnerschaften eingegangen ist, fungiert die Geschichte dieser Frau auch als funkelndes Beispiel der weiblichen Emanzipation fernab von blödsinnigen Genderdebatten.
Einzigartige Frauenpersönlichkeit
Da Chopin in der Inszenierung zu sehr in den Mittelpunkt von Sands Leben gestellt wird, entsteht der Eindruck, dass sie durch ihre Liebe zu ihm ihren eigenen Weg verloren hätte. Sämtliche Gefühle sowie die Identität George Sands werden für die Bühnenerzählung in die Figur Chopin zentriert, somit verliert sich der Charakter der Autorin. Man fragt sich, ob Sand nicht vielleicht sogar nach der Trennung von Chopin aufgehört hat zu schreiben, obwohl das keinesfalls so gewesen ist. Regisseurin Brigitte Pointner kommt etwas zu weit vom Weg ab die Einzigartigkeit dieser Frauenpersönlichkeit bis zum Schluss darzustellen. Die Eigenständigkeit und der Esprit von George Sand werden zu sehr von der Liebesbeziehung mit Chopin begraben. Dennoch gelingt dem Portraittheater eine einfühlsame, lebendige Darstellung eines Charakters. Durch das gesprochene und gespielte Wort wird man als Zuschauer auch ein Stück weit in eine andere Welt entführt. Der Eindruck ist stärker als bei einer gelesenen Biografie und persönlicher als bei einem Film. In jedem Fall ist das Portraittheater eine der amüsantesten Möglichkeiten sich mit dem Leben eines anderen Menschen auseinanderzusetzen und George Sand betreffend ein Anstoß um ein literarisches Werk zu erkunden, das sich leider nicht allzu großer Popularität erfreut. (Text: Katja Kramp; Fotos: Armin Bardel)
Kurz-Infos:
George Sand trifft Frédéric Chopin
Bewertung: @@@@1/2
Kritik zur Aufführung am 27.9.2011 im Theater Drachengasse
Drachengasse, 1010 Wien
Produktion: portraittheater
Regie: Brigitte Pointner
Schauspielerin, Konzept: Anita Zieher
Pianist: Werner Lemberg
Musik: Frédéric Chopin
Texte: Originaltexte von George Sand