kreisky-schauspielhausDas Schaupielhaus schließt sich den Jubilaren an und bringt anlässlich des 100. Geburtstags von Bruno Kreisky eine Reihe von 10 Folgen zu dessen Leben und Wirken. Die dritte Folge unter der Regie von Alexander Charim hinterfragte den "echten Österreicher" Kreisky.

Ein Zimmer der späten 1950er Jahre, drei vergessene Gestalten und der Kanzler, der gekommen ist um mit dem Publikum den 100. Geburtstag zu feiern. Er ist gebrechlich, aber Erinnerungen halten jung und schon bald wird gefeiert, gesungen und die alten Ideale heraufbeschworen. Er hatte noch Visionen, das wird auch denen im Publikum klar, die keine Erinnerung mehr an Kreisky haben.

Ich bin ein Mensch

Doch mitten im Erinnern und in der Euphorie wird die Frage aufgeworfen. Ein echter Österreicher? Und: Gibt's die/den überhaupt? Wo doch die meisten aus diesem melting pot der Habsburger Dynastie stammen. Und: War Kreisky nicht Jude? Widerspricht dies nicht dem echten Österreicher? Die Gespenster der Vergangenheit tauchen auf, sind bedrohlich und wollen Kreisky zwingen sich zu outen, sich zu positionieren, sich in dieser neuen Welt nach dem Krieg weiterhin in die eine oder andere Gruppe einteilen lassen: Jude oder nicht Jude? "Ich bin ein Mensch", sagt er und zerbricht fast am Konflikt. Die Atmosphäre des Stückes ist bedrückend und nimmt einen weniger positiven Aspekt Kreiskys ins Visier, schließlich wird die Vergangenheit Österreichs vom Kanzler nicht aufgearbeitet, sondern am Vergessen und Verleugnen festgehalten. Zuordnen will sich der Kanzler nicht lassen, aber die Schuldigen zu Verantwortung ziehen, das schafft er auch nicht. Vielleicht wird gerade dadurch deutlich, wie sehr sich Kreisky für den Menschen als Individuum eingesetzt hat, als Persönlichkeit, wo die Herkunft und die soziale Schicht und vielleicht auch die Vergangenheit nicht entscheidend sein soll. Doch das gilt als berechtigter Kritikpunkt an seiner Politik. Im Stück wird dem Publikum die Option offen gelassen selbst zu entscheiden und lässt es mit dem Gefühl der Betroffenheit und der Orientierungslosigkeit zurück. Bruno Kreisky, der am 22. Jänner 2011 hundert Jahre alt geworden wäre, wird gefeiert und porträtiert. Johannes Zeiler macht als solcher eine gute Figur. Seine Stimme und auch Sprache erinnern an den Kanzler, auch die Haltung ist gut einstudiert. Mit der riesigen Brille, die sein Gesicht verdeckt, nimmt man ihm den Kanzler ab. Am Ende des Stücks wird traditionell Geburtstagstorte von Demel serviert und das gesamte Publikum feiert mit. (suja)

kreisky-schauspielhaus1Kurz-Infos:
Ein echter Österreicher - Folge 3
Bewertung: @@@@
Regie: Alexander Charim
Mit: Johannes Zeiler, Marion Reiser, Christoph Rothenbuchner, Lisa Wildmann + special Guests
Kritik zur Aufführung am 21. Jänner 2011 im Schauspielhaus Wien

Kreisky - wer sonst? - 10 Folgen im Schauspielhaus

Projektleitung: Bastian Kraft, Daniela Kranz
Regisseure: Daniela Kranz, Nina Mattenklotz, Alexander Charim, Christine Eder, Kevin Rittberger, Lilja Rupprecht, Bastian Kraft und Rudolf Frey