Ein Theaterabend als Steigerung der schöpferischen Phantasie zwischen Bassena-Sprache und Monstrosität ist im Salon5 zu sehen, denn dort steht "Zwischen neun und neun" nach dem Roman von Leo Perutz am Programm.
"Es gibt nur wenige Schriftsteller der modernen deutschsprachigen Literatur", hieß es einmal über Leo Perutz, "die so konsequent den Zusammenhang von Traum und Wirklichkeit, Phantasie und Realität literarisch erkundet haben." Perutz fasste den Roman als die Expedition in die Grenzbereiche menschlicher Erfahrung auf, als ein Experiment, dem sich der Leser in dem Augenblick unterzieht, in dem er mit der Lektüre beginnt. Und was für seine Romane gilt, wie z.B. für "Zwischen neun und neun", das gilt auch für die Dramatisierung seiner Werke, wenn man die richtige Bühnensprache dafür findet. Gefunden haben es jedenfalls Viktorie Knotková und Anna Maria Krassnigg, die für Dramaturgie und Regie verantwortlich zeichnen, sowie die zwei Protagonisten Martin Schwanda und Emily Cox; letztere scheinen in der Vielschichtigkeit und Gestaltungskraft des Werks förmlich aufzugehen. Mit Martin Schwanda freilich steht und fällt das Stück, denn er verkörpert nicht nur den eher unsympathischen Anti-Held Stanislaus Demba, sondern stellt in einigen Szenen auch die (quasi) Gruppengespräche nach. Bassena-Tratsch über einen (Demba eben), der auf Flucht ist, noch dazu in Handschellen; ein einsamer Kämpfer, der zudem eine große Kluft zwischen seinen Reden und seinen Taten schlägt. Sie (also Martin Schwanda) reden über ihn, er sei ein Dieb, ein Haschischraucher, ein Krüppel, einer mit Schusswaffe, kurzum: ein ganz gefährlicher halt. Schwanda wechselt hier sekundenschnell Sprachfärbungen und Nuancen, und wie er das macht, ist einfach nur großartig. All diese Vielschichtigkeit wird auch im Bühnenbild sichtbar, das die Ebenen des Werks sichtbar machen. Als jeweils perfekte Überleitung bzw. als Meta-Korrespondenz dienen darüber hinaus die Filme von Pavel Lukáš, die wiederum in einigen Sequenzen, und vor allem wie diese eingesetzt werden, an die skurrilen Cut-Out-Animationen von Terry Gilliam (Monty Python) erinnern. Der Humoranteil im Stück ist zwar ein relativ hoher, das Stück selbst bzw. der Roman von Leo Perutz besitzt allerdings einen ungleich größeren Symbolgehalt mit ernstem Hintergrund; die Begegnung mit dem Tod und ob der Mensch aus dieser Begegnung etwas lernt; die Handschellen als Symbol "der in Schlingen verstrickten und in Ketten geschlagenen Menschen" (wie es Perutz selbst einmal formulierte). Der Schlusssatz liegt also auf der Hand: Unbedingt anschauen, die Aufführung im Salon5 nicht zu sehen, ist nämlich ein großes Versäumnis. (Manfred Horak)
Kurz-Infos:
"Zwischen neun und neun" nach dem Roman von Leo Perutz
Bewertung: @@@@@
Kritik zur Aufführung am 10. November 2010
Alle weiteren Termine siehe HP von Salon5
Mit: Martin Schwanda, Emily Cox
Raum / Licht: Andreas Lungenschmid
Kostüme: Antoaneta Stereva
Filme: Pavel Lukáš
Sound Design: Christian Mair
Dramaturgie und Regie: Viktorie Knotková / Anna Maria Krassnigg