25 Minidramen zeitgenössischer Autorinnen Autoren wurden von Lukas Cejpek und Margret Kreidl auf die Theaterbühne gebracht und zu einem lustvollen Ganzen inszeniert. Frisches Blut also im Schauspielhaus Wien als Würdigung zum Jubiläum 25 Jahre Alter Schl8hof Wels.
Die Eroberung der Leidenschaft, blinde Wut als Projektionsfläche, Miteinander und Gegeneinander, fluoreszierende Wortströme und kontroverse Lebenspraktiken, blutige Gefühle und Wortklaubereien, grandios umgesetzt von den drei Darstellern Karl Hoess, Wiltrud Schreiner und Alexandra Tichy. Eröffnet wurde der Minidramen-Reigen mit einer blutstäblichen Flaggen- und Zeichensprache von Michéle Métail, quasi das Blut als roten Faden des Abends in Morse buchstabierend. Aber halt. Nicht, dass jetzt jemand glaubt, nur weil Blut als Thema, sei alles todtraurig, todernst und grausam grauslich. Sicher, der Tod ist omnipräsent, so wie die Wut und (bzw. auf) die (Freunderl-)Wirtschaft(skrise), dies alles, in den meisten Fällen jedenfalls, in leicht schwermetalligen tief abgründigen Humor getaucht. Das bewies gleich mal Johannes Schrettle, der uns mitteilte: "Es folgt ein Tag im Leben einer österreichischen Kleinstadt, in deren Zentrum ein Schwein geschlachtet wird und im Sterben Werbung für die Genussregion Graz Umgebung macht". Aber eigentlich will Frau Schneiderer, die wenig Zeit hat, einen Tantra-Reiseführer schreiben und trifft auf Herrn Schrettle. Ein Minidrama über das Verlangen? Ja, Verlangen nach Geld - und von einem Auto werden sie auch noch überfahren, obwohl es ihnen gar nicht richtig auffällt. Kurios? Ja. Grandios? Ebenfalls. Herausragend unter den vielen sehr guten Minidramen auch "Blinde Wut" von Gerhard Jaschke. Ein herrlich schäbiger Text, eine Hasstirade, ein Beschimpfungsorgasmus, der, typisch Jaschke eben, in all seiner Brutalität Witz versprüht, so z.B. wenn der Verleger den Dichter verhöhnt, wenn er geifert: "Deinen Namen werde ich falsch setzen und dein Stück auf dem miesesten Papier kopieren." Die 25 Minidramen, obwohl jede für sich abgeschlossen, in den Kreislauf eines stimmigen Theaterabends zu bringen, gelang dem Team in verblüffend einfacher Manier, Stichwort Bühnenbild. Was zählte waren die Geschichten und die Gesichter, die Gesten und die Zwischentöne, die Mimiken und die Wortprägnanz. "Jedenfalls", um aus Lisa Holzers Beitrag "Lisa Holzer und die Drunken Bakers" zu zitieren, "geht es um Verführung - um Sprache, Denken, Lesen, Wiederlesen, Öffnen - und nur vielleicht um Verstehen". Z.B. dann, wenn es um Heinz und Felix, also um "Heinix" [von Markus Köhle; Anm.] geht, deren höchste abgeschlossene Ausbildung Ketchup ist. Aus 78 % sonnengereiften spanischen Tomaten sind sie dennoch das Produkt eines österreichischen Traditionsbetriebes, oder wie es an anderer Stelle bei Elfriede Czurdas Minidrama "Blut spricht" heißt: "Du bist der Boden, den ich sättige. Ich vernasche Feind und Freund". Oh ja, das passte alles zusammen und machte verdammt viel Spaß. Kurzweilig, ex- und konzentrisch. Alles tropft. Ah! Oh! Absobult. (Text: Manfred Horak; Fotos: Hans Zurucker)
Kurz-Infos:
Frisches Blut - 25 Jahre Alter Schl8hof Wels - 25 Minidramen
Bewertung: @@@@@
Dramaturgie: Lucas Cejpek und Margret Kreidl
Regie: Lucas Cejpek
Darsteller: Karl Hoess, Wiltrud Schreiner, Alexandra Tichy
Kritik zur Uraufführung am 29. April 2010 im Schauspielhaus Wien
Buch-Tipp:
Frisches Blut: 25 Minidramen
Herausgegeben von Lucas Cejpek und Adelheid Dahiméne
Autoren: Carlos A. Aguilera, Lucas Cejpek, Elfriede Czurda, Adelheid Dahimène, Gustav Ernst, Gundi Feyrer, Harald Friedl und Barbara Neuwirth, Lisa Holzer, Gerhard Jaschke, Ilse Kilic und Fritz Widhalm, Markus Köhle, Margret Kreidl, William Cody Maher, Michèle Métail, Rosemarie Poiarkov, Nathalie Quintane, Sophie Reyer, Gerhard Rühm, Ivana Sajko, Olivier Salon, Johannes Schrettle, Michael Stauffer, Dezsö Tandori, Yoko Tawada, Sabine Wen-Ching Wang.
Medieninhaber: kulturverein waschaecht (2010)