drei-taler-maerchenEin antikapitalistisches Weihnachtsmärchen für Kinder ab 4 - das klingt nach belehrendem Tonfall inmitten romantisch verklärter Schneeflocken - aber nichts von dem ist dem schönen "Drei Taler Märchen" als Musical anzumerken. Im Gegenteil, rasantes Spiel, schmissige Lieder, und das alles in einer Atmosphäre des kindlich begeisterten Brodelns im Publikum.

Die unterhaltende und trotzdem besinnliche Absicht der Produzenten ging voll auf und bescherte den über 400 begeistert klatschenden, mitsingenden, oft auch hilfreiche Hinweise gebenden und freudig tobenden Kindern in der Astrid Lindgren Bühne im Berliner FEZ eine höchst unterhaltsame Vorstellung. Dieses FEZ, im weiten Osten Berlins inmitten des Parks Wuhlheide gelegen, war einst ein DDR-hauptstädtisches Vorzeigeprojekt für Familien und deren mannigfaltiger Freizeitgestaltung. Im Bereich Kinder- und Jugendkultur wurde im früheren Osten oft bemerkenswert Großes geleistet, weitab von die Kinder nicht ernst nehmender Verblödungskultur, wie sie heute in diversen Fernsehkanälen zelebriert wird. Mittlerweile stehen das nun vereinte Land Berlin und auch seine Landesmusikschule hinter dem künstlerischen Aushängeschild des FEZ, das die renommierte "Astrid Lindgren Bühne" für Kinder- und Jugendtheater ist. Nicht nur deren personelle Verbindungen zum mit dem Theaterpreis "Faust" bedachten "Grips" Theater in Berlin machen diesen Ort zu einem spannenden und unterhaltsamen Flecken alternativer Theaterkultur für junges Publikum."

...es geht um die Seele und nicht um die Wurst"

drei-taler01In der dem "Drei Taler Märchen" zugrundeliegenden Weihnachtsgeschichte von O. Henry geht es um den zuerst hektischen Versuch, mit im wahrsten Sinne teuren Weihnachtsgeschenken erfreuen zu wollen, was zunächst in einem emotionalen Desaster mündet, später gefolgt von der Erkenntnis, dass der unnötige Geldeinsatz sofort verblasst, wenn nur die Schenkenden einander statt dessen Liebe und Zuwendung geben.

Da sind also das mit großer jugendlicher Agilität liebenswert und verliebt agierende Paar Jenny (Kristin Kehr) und Tom (Chris Gebert), denen die Not keinen finanziellen Raum für Geschenke lässt, die sie einander doch so gerne überbringen würden. In einer kleinen Wohnung in einer Werkstatt nur geduldet, vom Pfandleiher (Jörn Brumme) schamlos betrogen und lediglich von ihrer Freundin Stine (Katja Schaefer) nach Kräften unterstützt finden Sie - es ist ja ein Märchen - doch einen Weg, der sie ihre Liebe zueinander höher schätzen lässt als der raffiniert geplante und letzlich trotzdem versemmelte Weihnachtseinkauf. Ihre Umwelt lässt sich zunächst nur mit Barem zu guten Taten verleiten und wäre eben nicht die raffinierte und herzliche Stine, die Talfahrt im Abgrund der Armut wäre furchtbar. So aber darf am Schluss die durchaus nützliche Erkenntnis leuchten "Kauft doch weniger, liebt doch mehr", oder wie es in einem der Songs dann heißt "...es geht um die Seele und nicht um die Wurst".

Schauspielerisch strahlt Kristin Kehr hervor, die - sowohl mit großer jugendlicher Leichtigkeit als auch in den traurigen Passagen tief berührend - ihrer Hauptheldin Jenny unzählige bunte und spannende Facetten gibt und die in den Liedern gesanglich mit Präzision, emotionaler Tiefe und Schwung glänzt, sie ist in jeder Sekunde authentisch und präsent. Auch Katja Schaefer - als die die Geschichte treibende Heldin und Freundin Stine - bietet ein hocherfreuliches Maß an Spielenergie, zeigt Flexibilität im direkten Umgang mit den mitgerissenen Kindern und bietet dabei hohen körperlicher Einsatz, der begeistert. Und Max Vonthien gibt genau und fein das zuerst furchterregende, dann herzzerreißend warmherzige Kettenkrokodil Rüdiger, das heftigste Reaktionen im jungen Publikum weckte.

So wäre es eine durch und durch erfreuliche Aufführung geworden, aber leider hat die Geschichte in ihrer Umgestaltung zum Musical ein paar seltsame dramaturgische Ecken bekommen. Nicht jede Szene, nicht jede Handlung im Verlauf (eine seltsam isoliert dastehende Geigenrückgabe gegen Ende) erscheint dabei folgerichtig und dem Märchen dienlich. Auch entsteht der Eindruck, dass mancher Song eher aus der Motivation "der muss noch rein" ins Musical eingefügt wurde, und weniger als unterstützendes Lied für das große Ganze. Da dürfte doch die musikalische Begeisterung über den eigentlichen dramaturgischen Bogen triumphiert haben.

Was soll's - der Begeisterung der Kinder tat dies keinen Abbruch. Über 400 beherzte junge und nicht mehr ganz so junge Menschen artikulierten sich freudig über Mitzittern, Mitlachen, Mitsingen, Klatschen und Toben. Und sie werden vielleicht den nächsten Weihnachtseinkauf etwas sparsamer gestalten, dafür mehr von dieser Begeisterung herschenken. Dann wäre das Märchen von den "Drei Talern" ja schon Wirklichkeit geworden. Und Weihnachten kann kommen. (Tristan Jorde)

drei-taler02Kurz-Infos:
Drei Taler Märchen
Bewertung: @@@@
Kindertheater (ab 4 Jahren) von "Musiktheater Rumpelstil"
Koproduktion: "Astrid Lindgren Bühne" im FEZ Berlin  
Musicalfassung nach dem Märchen "Ein Weihnachtsgeschenk" von O. Henry

Buch und Musik: Musiktheater Rumpelstil
Regie: Matthias Witting

Die Kritik von Tristan Jorde zur Premiere am 9.12.2009