"Owen Wingrave" ist neben seinem "War Requiem" Brittens eindringlichstes pazifistisches Bekenntnis. Britten zeigt in diesem Spätwerk, das in den Jahren 1969/70 vor dem Hintergrund der weltweiten Proteste gegen den Vietnamkrieg entstanden ist, eindrucksvoll die Hässlichkeit, Brutalität und Schrecklichkeiten des Krieges und der Traditionen, die ihn begünstigen. Zu sehen ab 23. Mai 2009 als österreichische Erstaufführung in der Fassung von David Matthews in der Wiener Kammeroper.
Anders als all seine männlichen Vorfahren will Owen keine militärische Laufbahn einschlagen; seine Weigerung provoziert heftige Reaktionen seiner Familie und Freunde. In "Owen Wingrave" zeigt der Komponist, wie ein offiziell sanktioniertes Wahnsystem, das alle gesellschaftliche Reputation für sich vereinnahmen kann, mit dem entgegengesetzten, aber durchaus vernünftigen Ethos eines isolierten Individuums kollidiert. Darüber hinaus ist "Owen Wingrave" aber auch ein Paradestück für die Logik des Unterbewussten, selbst wenn diese in den Tod führt. Britten verarbeitet bei der Konzeption seiner Hauptgestalt nicht zuletzt seine eigenen Erfahrungen zu Kriegszeiten, als er der Kommission die Gründe seines Pazifismus zu erläutern hatte.
Proteste und Kriegsdienstverweigerung
Als Britten Anfang April 1969 mit der Komposition der neuen Oper beginnt, tobt der Krieg in Vietnam. Die Proteste in aller Welt nehmen zu. Tausende von amerikanischen Soldaten desertieren, ignorieren ihre Einberufungsbefehle, flüchten nach Kanada oder gehen den dornigen Weg der Kriegsdienstverweigerung. Britten konzipierte "Owen Wingrave" sowohl als Fernseh- wie auch als Bühnenstück; die Verfilmung ging der Bühnenpremiere in London voraus und wurde 1971 erstmals ausgestrahlt. Die Kammerfassung von David Matthews wurde 2007 im Linbury Theatre des Royal Opera House Covent Garden, London, uraufgeführt. Nicola Raab, die bereits mehrmals mit großem Erfolg an der Wiener Kammeroper inszenierte (erinnert sei nur an "Moskau, Moskau" von Dimitri Schostakowitsch), kehrt an das Haus am Fleischmarkt zurück, die musikalische Leitung liegt in den Händen von Daniel Hoyem-Cavazza.
Literaturvorlage von Henry James
Die Regisseurin zum Stück: "Henry James' Kurzgeschichte erwies sich für Britten als ideale Vorlage, seinen pazifistischen Ansichten auch in Form eines Bühnenwerkes Ausdruck zu verleihen. Trotzdem hatte Britten von jeher Zweifel an der Machbarkeit und Wirksamkeit des Mediums Oper durch Kamera und Fernsehen. Und in der Tat blieb 'Owen Wingrave', sei es auf der Bühne oder als TV–Remake, ein 'Siegeszug', wie ihn andere Werke Brittens erfahren haben, verwehrt. Seine versteckten Qualitäten zu entdecken, neue hinzuzufügen und ans Licht zu bringen in der Konzentration des Raumes und der Mittel, soll Aufgabe der Aufführung an der Wiener Kammeroper sein." (pt; Fotos: Holger Beck, Christian Husor)
Live-Tipp:
Owen Wingrave von Benjamin Britten
Premiere: 23. Mai 2009
Wiener Kammeroper
Fleischmarkt 24, 1010 Wien
Von und mit:
Daniel Hoyem-Cavazza (Musikalische Leitung)
Nicola Raab (Inszenierung)
Anne Marie Legenstein (Ausstattung)
Michael Hofer (Lichtdesign)
Brian Galliford (Narrator)
Andrew Ashwin (Owen Wingrave)
Craig Smith (Spencer Coyle)
Paul Schweinester (Lechmere)
Ewa Biegas (Mrs Wingrave)
Rika Shiratsuchi (Mrs Coyle)
Ingrid Habermann (Mrs Julian)
Astrid Hofer (Kate)
Brian Galliford (General Sir Philip Wingrave)